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Online-Terminvergabesysteme: Friederike im Interview
„Potenziale nutzen, aber richtig“
Dass ein Online-Terminvergabesystem ein zusätzlicher Service für Patienten ist, leuchtet sofort ein. Doch inwiefern können Praxen davon profitieren und welche Stolperfallen gilt es zu vermeiden. Die Nordlicht-Redaktion hat mit einer Expertin für Praxismarketing gesprochen.
Nordlicht: Praxen verwenden immer häufiger Online-Terminvergabesysteme zur Patientensteuerung. Was ist deren Erfolgsgeheimnis?
Friederike Wiegand: Richtig in den Praxisalltag eingebunden, sind Online-Terminvergabesysteme ein Segen für einen effizienten Praxisalltag. Dadurch reduzieren sich die Anrufe in einer Praxis – wertvolle Zeit, die die Medizinischen Fachangestellten dann für die Patienten vor Ort und ihre Aufgaben in der Praxis haben. Wenn das eingebundene System einen automatisierten Erinnerungsservice inkludiert hat, kann eine Praxis so Terminausfälle auf ein Minimum reduzieren. Voraussetzung ist die nahtlose Einbindung und einwandfreie Synchronisation mit der Praxissoftware.
Nordlicht: Im Idealfall greift die Online-Terminvereinbarung also direkt auf den Terminkalender der Praxis zu und kann dort die Lücken ausfüllen. Mit welchen Tücken muss man rechnen und wie kann man ihnen begegnen?
Wiegand: Genau, eine Praxis gibt dem Terminvergabesystem bestimmte Zeiten oder Zeitblöcke für gewisse Termine frei, die dann direkt von Patienten online gebucht werden können. So die Theorie. In der Praxis sieht es anders aus. Die einen Systeme vertragen sich nicht mit der Praxissoftware, bei manchen gibt es Datenschutzvorkehrungen, die die Termin-Synchronisation erschweren und andere wiederum achten nur begrenzt auf den Datenschutz. Auch für die Patienten gibt es einige Unterschiede in der Nutzung, z. B. „mit oder ohne Registrierung“, „mit oder ohne spezielle App“ oder „mit bzw. ohne SMS-TAN“. Daher sollte eine Arztpraxis, die Online-Terminbuchung zusätzlich anbieten möchte, auf die Schnittstelle zur verwendeten Praxissoftware achten und das System auf Herz und Nieren testen, um ein Chaos in der Praxis zu vermeiden.
Nordlicht: Könnte es nicht sein, dass Transparenz bei der Terminvergabe dafür sorgt, zur „gläsernen“ Arztpraxis zu werden? Schließlich kann jeder sehen, wann und wie viele Termine in welchem Intervall angeboten werden.
Wiegand: Ja, jeder kann sehen, wie viele freie Termine eine Praxis kurzfristig zur Verfügung hat und wie viel Zeit sich ein Arzt oder eine Ärztin pro Patienten nimmt. Dies bekommt man aber in den Griff, in dem man nur gewisse Zeiten freigibt. Dies lässt sich in der Regel mit einem ausgereiften System gut koordinieren. Es besteht z.B. die Möglichkeit, die Online-Terminvereinbarung nur zu Zeiten freizugeben, in denen in der Praxis generell eher Leerlauf zu erwarten ist, um Lücken zu füllen.
Nordlicht: Ein Online-Termin könnte von vielen Patienten als nicht so verbindlich angesehen werden. Wie kann man verhindern, dass so die „No-Show-Rate“ steigt?
Wiegand: In der Tat. Bei einigen unserer Kunden haben wir beobachtet, dass die No-Show-Rate steigt, d.h. einige Patienten vereinbaren zwar einen Termin, erscheinen jedoch nicht in der Arztpraxis. Das ist aber von Praxis zu Praxis sehr unterschiedlich. Wenn dem so ist, kann man dagegen angehen, in dem man einen Anbieter wählt, bei dem man bei der Terminvergabe schon nähere Angaben zur Person abfragt. Die Hürde zum Terminvereinbaren ist so etwas höher gesetzt und die Verbindlichkeit ist gesteigert. Die Online-Terminvereinbarung sollte jedoch immer noch nutzerfreundlich und leicht zu bedienen sein. Sonst wird sie nicht angenommen.
Nordlicht: Viele Terminvereinbarungssysteme bieten einen Erinnerungsservice an. Nervig oder nützlich?
Wiegand: Nützlich! Die Patientin oder der Patient erhält eine SMS, eine E-Mail oder beides in regelmäßigen Abständen zum Termin. Zudem erinnert sie bzw. ihn das System daran, dass sie bzw. er den Arzttermin bei Verhinderung auch ganz einfach online absagen kann. So wird dieses Zeitfenster wieder für andere freigegeben. Die Intervalle lassen sich mit guten Systemen so anpassen, dass sie nicht zu aufdringlich sind.
Nordlicht: Was kann das Praxisteam tun, damit die Patienten die Online-Terminvereinbarung auch benutzen?
Wiegand: Eine Online-Terminvereinbarung nützt nichts, wenn die Patienten sie nicht kennen oder auf der Praxishomepage nicht finden. Sie ist eine Investition für eine Praxis und ein großer Schritt in Richtung Digitalisierung. Jetzt muss sie bloß auch genutzt werden. Patienten benötigen Zeit, sich an so einen Service zu gewöhnen. Menschen sind Gewohnheitstiere und brauchen etwas, um neue Dinge anzunehmen. Wichtig ist aber, dass eine Praxis überall darauf hinweist. Das beginnt bei der Praxishomepage, geht über den Google-Eintrag, etwaige Social-Media-Kanäle, die Terminkarten bis hin zur Bandansage. Es ist wichtig, dass eine Praxis das Thema Online-Terminbuchung aktiv in ihre Praxiskommunikation einbindet und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf schult. Nur so kann das System den Praxisalltag auch entlasten.
Nordlicht: Trotzdem hat so ein System auch seine Grenzen. Einige Patienten wissen sicher nicht immer von allein, was sie brauchen und könnten unter Umständen einen unpassenden Termin wählen und Kapazitäten binden. Wie kann man das verhindern?
Wiegand: Ja, das stimmt. Für den Anfang kann eine Praxis z.B. nur Vorsorgeuntersuchungen, Erstbesuche oder Kontrolltermine freigeben. Für die restlichen Anliegen verweist man auf die Telefonnummer der Praxis. Schritt für Schritt kann man so die Patienten und die Praxis an die Online-Terminbuchung gewöhnen. Bei manchen Fachrichtungen kann es außerdem sinnvoll sein, einen kurzen Online-Fragebogen anzubieten – für diejenigen, die nicht wissen, welche Art von Termin sie benötigen.
Nordlicht: Was fallen für Kosten an?
Wiegand: Das lässt sich pauschal leider nicht beantworten. Der Markt ist insbesondere für Laien sehr undurchsichtig und die Unterschiede zwischen der Vielzahl an Systemen erkennt man meist erst in den Details. Hier gibt es Lösungen „von bis.“ Ganz grundsätzlich ist aber das A und O, beim Vergleich der Leistungen der verschiedenen Softwarelösungen auf die Zusatzkosten zu achten. An dieser Stelle kann schon mal eine versteckte Einrichtungsgebühr oder eine Aufstockung von Terminbuchungskontingenten lauern. Zudem sollte sich die Praxis auf die notwendigen und für sie nützlichen Funktionen beschränken. Ein „Bauchladen an Funktionalitäten“ nutzt nichts, wenn man sie nicht anwendet.
Wichtig ist, dass das System mit der eigenen Praxissoftware kompatibel ist und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit dem System arbeiten sollen, ausgiebig eingeschult werden. Praxen sollten die Online-Buchungstools genau prüfen und sich nicht von einer schicken Patienten-Oberfläche blenden lassen. Auch die Nutzeroberfläche der Praxis sollte übersichtlich und klar strukturiert sein. Sonst ist Frust vorprogrammiert.
Friederike Wiegand ist Geschäftsführerin der Weisskonzept OG | Die Marketingagentur für Ärzte, Wien. Das Interview mit ihr führte Jakob Wilder, KVSH